Im Wahlprogramm der Alternative für Deutschland ist Migrationspolitik ein zentrales Thema, das im gesamten Programm immer wieder aufgegriffen wird. Insgesamt versteht die Alternative für Deutschland Migration als Problem der Sicherheit: Zum einen wird Migration als Bedrohung für die Vorstellung der Partei von einer „deutschen Identität“ wahrgenommen, zum anderen als Ursache für Kriminalität. Ausgangspunkt ist das Narrativ der „unregulierten Massenzuwanderung 2015“ und deren “desaströse[…] Folgen“ (S.89). Eine besondere Rolle kommt in diesem Kontext der Asylpolitik zu. Zudem ist ein separates Kapitel zu „Migration, Asyl, Integration“ vorgesehen, das im Inhaltsverzeichnis dem Kapitel „Islam“ untergeordnet wird. Dieser (vermutliche) Formatierungsfehler greift aber gut auf, dass migrationspolitische Argumente häufig in Verbindung mit Religion, ins besondere dem Islam, angewandt werden: Auffällig ist, dass die „deutsche Identität“, also die deutschen „Regeln, Traditionen und Werte“ (S. 97) vor allem in Abgrenzung zum Islam verstanden und definiert werden. Der Islam als Religion ist also laut AFD per se nicht „deutsch“.
IMMIGRATION:
Nationalisierung:
In Konsequenz fordert die AFD in der Dimension der Immigration die Nationalisierung der Migrations- und insbesondere Asylpolitik durch den Austritt aus völker- und EU-rechtlich bindenden Abkommen, die Kontrolle der deutschen Grenzen durch die Bundespolizei und die Beschränkung der Migration nach Deutschland. Die Überwachung der EU-Außengrenzen soll Aufgabe der Grenzschutzagentur FRONTEX werden, die zur europäischen Grenzschutzpolizei werden soll, darüber hinaus lehnt die AFD eine europäische Asylpolitik aber ab.
Qualifizierte Migration:
Grundsätzlich soll Zuwanderung nur im Rahmen einer so genannten „qualifizierten Migration“ zugelassen werden, eine Aufenthaltsgenehmigung soll also von Bildungsstand, Sprachkenntnissen und der „Wahrung der kulturellen Identität Deutschlands“ (S. 97) abhängen.
Hauptsächlich liegt das Augenmerk in der Migrationspolitik auf der Asylpolitik:
Asyl
Die AFD fordert mit Blick auf Asylbewerber*innen und Asylberechtigte einen Austritt aus der Genfer Flüchtlingskonvention. Zudem verstoßen die Vorschläge, etwa die Seenotrettung Geflüchteter und die „Ausschiffung der Betroffenen am nächstgelegenen Seehafen“ (S. 91), gegen den Kern des völkerrechtlich bindenden Vertrags, das so genannte Non-Refoulement-Prinzip. Statt der Aufnahme Schutzsuchender soll der Fokus der Asylpolitik stattdessen stärker darauf liegen, Migrationsströme durch so genanntes „Engagement“ in den Herkunftsländern zu verhindern – welche Art Engagement die AFD hier meint, ist nicht klar. Voraussetzung für einen Asylantrag soll zudem der Identitätsnachweis über einen Ausweis werden. Das ist insofern problematisch, weil Verfolgte häufig nicht über gültige Papiere verfügen. Daneben soll die Zahl an Asylbewerber*innen und – berechtigten durch Maßnahmen wie die Ausweitung der Zahl als „sicher“ geltender Herkunftsländer, eine „Abschiebeoffensive“ (S. 91), oder die Erschwerung des Zugangs zu Sozialleistungen und Niederlassungserlaubnis gesenkt werden. Familiennachzug wird grundsätzlich abgelehnt, straffällige Asylbewerber*innen sollen außerdem abgeschoben bzw in Gefängnissen im Ausland untergebracht werden. Dass Asylbewerber*innen nicht nur aus finanziellen, sondern aus ideologischen Gründen abgelehnt werden sollen, zeigt die Ablehnung des Spurwechsels gut integrierter, selbstständiger Asylbewerber*innen sowie die Forderung nach so genannten „Fit For Return“-Programmen (S. 91): Durch staatlich finanzierte Ausbildungen sollen Geflüchtete in diesem Rahmen vor ihrer Abschiebung auf den „Wiederaufbau“ ihrer Heimat vorbereitet werden.
INTEGRATION:
Ziel der AFD ist eine so genannte „identitätswahrende Integration“. Der Begriff meint nicht die Wahrung oder den Schutz der Identität der ausländischen Mitbürger*innen, sondern auf die so genannte „deutsche Identität“. „Mulitkulturalismus“ wird also abgelehnt, in Deutschland lebende ausländische Staatsbürger*innen haben eine bestimmte deutsche, „christliche“ Leitkultur zu beachten und sich daran anzupassen. Das betrifft vor allem muslimische Mitbürger*innen, also knapp 5 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands,[1] die angesichts des geforderten Verbots von Minaretten und Burkas und Kopftüchern im Öffentlichen Raum bzw Dienst ihre Religion nach Vorstellung der AFD in Zukunft nur eingeschränkt ausüben dürfen. Die Forderung nach Assimilation bezieht sich aber nicht nur auf Immigrant*innen oder ausländische Mitbürger*innen, sondern auch auf deutsche Staatsbürger*innen muslimischen Glaubens. Die so genannte „deutsche Identität“ soll dagegen durch die Förderung von „Heimatliebe und Traditionsbewusstsein“ in Schulen vermittelt werden.
EINBÜRGERUNG:
Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft soll im Zuge der Einbürgerungs- und Asylpolitik erschwert werden, eine Niederlassungserlaubnis für Geflüchtete etwa erst nach 10 Jahren erfolgen. Die AFD fordert in diesem Zug zudem etwa, die Straffälligkeit eingebürgerter Menschen für bis zu 10 Jahren an den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft zu koppeln.
Quellen:
Den Zusammenfassungen der Positionen, Forderungen und Maßnahmen liegen die jeweiligen Parteienprogramme zugrunde. Diese sind auf den jeweiligen Websites der Parteien abrufbar oder auf folgender Website zu finden: https://www.bundestagswahl-2021.de/wahlprogramme/
[1] https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/staat-und-religion/islam-in-deutschland/islam-in-deutschland-node.html (aufgerufen am 12.08.2021)