Was sagen die 5 größten Parteien in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 in klima- und umweltpolitischer Hinsicht zum Thema Klima- & Treibhausgasneutralität?
Das große Ziel der CDU/CSU ist eine wohlständige Wirtschaft, welche von einer Verbindung aus nachaltigem Wachstum, dem Schutz des Klimas und einer sozial-sicheren Interaktion miteinander lebt. Dies sei ein Unions-Versprechen:
„Wir werden unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen und für sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze sorgen. Dabei verbinden wir nachhaltiges Wachstum, Klimaschutz und soziale Sicherheit miteinander.“ (S.33)
Dieses Versprechen führen sie unter dem Abschnitt: „Neuer Wohlstand – mit nachhaltigem Wachstum zum klimaneutralen Industrieland“ (S.33) fort. Was genau sie sich unter einem klimaneutralen Industrieland vorstellen, wird nachfolgend erläutert.
„Die Pariser Klimaziele sind die Grundlage für unsere internationale Verantwortung als Industrieland“ (S.40). Diese will die Unionspartei durch innovative Technologien, wirtschaftliche Investitionen und ein koordiniertes Handeln von Politik, Industrie und Gesellschaft erreichen:
Unter dem Abschnitt: „Deutschland als klimaneutrales Industrieland bis 2045“ erfährt der Leser das erste Ziel der Unionspartei. Bis 2045 soll Deutschland ein klimaneutrales Industrieland werden, indem „verbindlich die Treibhausgasneutralität“ (S.40) bis 2045 umgesetzt und somit ein „deutscher Beitrag“ (S.40) zum 1,5 Grad-Pfad geschaffen wird. Bis zum Jahr 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65% gegenüber dem Referenzjahr 1990 gemindert werden, um im Jahr 2040 eine Reduzierung von 88% zu erreichen und somit bis 2045 treibhausgasneutral zu leben. Mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll, wird sehr schwammig formuliert, denn lediglich neue Technologien und Innovationen werden erwähnt (S.41).
Um die Klimaneutraltät zu erreichen setzt die Unionspartei auf „effiziente marktwirtschaftliche Instrumente als Leitinstrumente innerhalb eines Instrumentenmixes“ (S.41). Gemeint ist hier der Ausbau des Emissionshandels für Energie, Industrie, den Luft,- und Schiffverkehr, sowie für Wärme und Mobilität. Es kommt die Frage auf, ob hier nicht Mehrbelastungen entstehen. Laut CDU CSU wollen sie die entstehenden Mehrbelastungen durch „gezielte Entlastungen in den Bereichen Wohnen und Mobilität“ (S.41) kompensieren. Zudem sollen die Einnahmen des Emissionshandels “ in vollem Umfang an die Bürgerinnen und Bürger und an die Betriebe durch Stromverbilligung zurückgeben“ (S.41) werden.
Die Freien Demokraten bekennen sich zu dem Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen, die Erderwärmung auf maximal 2, möglichst 1,5 Grad Celsius, zu begrenzen. Den Weg zum Erreichen dieses Ziel sieht die FDP nicht in Verboten, sondern in der Innovation und der Forschung. Wortwörtlich wird im Wahlprogramm davon gesprochen, dass der Weg zum Erreichen des Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen, dem Erfindergeist von Ingenieurinnen, Technikern und Wissenschaftlerinnen „überlassen“ wird (S.49). Hierbei wird klar, dass die FDP keinen konkreten, detaillierten Plan hat, wie und mit welchen Maßnahmen dieses Klimaziel erreicht werden soll, sondern dass man sich darauf verlässt, dass die Forschung einen Weg findet. Auch bei komplexeren Umweltproblemen setzen die Freien Demokraten „auf die Kreativität der Vielen und den Wettbewerb der besten Ideen“ (S.49). Um diese Innovationen zu beschleunigen, fordert die FDP eine „ideologiefreie umweltpolitische Gesetzgebung und die Förderung einer lebendigen, innovativen Startup-Kultur“ (S.51). Auch wenn dadurch die Forschung beschleunigt werden könnte, lässt sich an der Realisierbarkeit der Ziele zweifeln, da es keine Gewissheit gibt, dass die Forschung dafür sorgt, dass diese auch erreicht werden.
Das Hauptinstrument, um CO2-Emissionen zu reduzieren, sehen die Freien Demokraten in dem Emissionshandel, weshalb sie sich dafür aussprechen, den EU-Emissionshandel sowohl auf alle Sektoren als auch geografisch auszuweiten. Damit verlässt sich die FDP klassischerweise auf den Markt als geeignetes Mittel zur Regulierung des Preises für CO2.
Des Weiteren wollen die Freien Demokraten Geo-Engineering ermöglichen. Damit sind Methoden und Technologien gemeint, die das Klimasystem gezielt verändern, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. Allerdings geht es der FDP nicht um den „direkten Einfluss auf unser Klima etwa durch Solar Radiation Management, sondern beispielsweise durch das gezielte nutzen von Biomasse zur Speicherung von CO2“ (S.50). Zudem sehen die Freien Demokraten in CDR-Technologien (Carbon Direct Removal), bei denen CO2 direkt aus der Atmosphäre entfernt und gebunden wird, eine große Chance für den Klimaschutz. Deshalb fordern sie dafür ein eigenes Gesetz, dass das Binden von CO2 mit CO2-Zertifikaten vergütet und definieren ein 5% Negativemissionsziel.
Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die FDP hauptsächlich auf den Emissionshandel setzt, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Hoffnung auf die Forschung ist keine konkrete Maßnahme und garantiert nicht, dass die Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen erreicht werden. Die Möglichkeit des Geo-Engineering ist eine weitere Möglichkeit, Klimaneutralität zu erreichen, allerdings besteht auch hier keine Gewissheit, dass dadurch das Klimaziel erreicht wird.
„Mit einer CO2-Bremse machen wir Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe, indem wir Gesetze an ihrer Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen messen und ihre Klimawirkung entsprechend prüfen.“
(S. 12, aktuelles Wahlprogramm)
Die Partei Bündnis 90 Die Grünen wollen durch eine Anhebung des deutschen Klimaziels 2030 erreichen, dass Europäer*innen noch deutlich vor 2050 klimaneutral leben können. Ihr Ziel ist es die Treibhausgasemissionen entsprechend des allgemeinen Richtwertes um 70% zu senken.
Die Klimaneutralität soll nicht nur als Selbtziel gesetzt werden, sondern auch Chancen für ein Mehr an Lebensqualität und ein generelles Umdenken mitsichbringen. Die planetaren Grenzen sollen als „Leitprinzip“ (S. 8) für politisches und wirtschaftliches Handeln gesetzt werden. Darum haben sie ein Klimaschutz-Sofortprogramm formuliert, das verhindern soll, dass die irreversiblen Kipppunkte des Klimasystems überschritten werden. Dieses Programm sieht Veränderungen in allen Sektoren vor. Darunter die Energiegewinnung und den Verkehrssektor*, hier sollen beispielsweise die Ausbaupotenziale nicht länger verhindert werden. Die Wirtschaft soll insgesamt auf das Ziel der Klimaneutralität ausgerichtet werden. Klimaschutz – sowohl effektiv als auch sozial – wird sich nur etablieren, wenn er sich auch ökonomisch lohnt. Teil hiervon soll neben fairen Preisen eine etablierte Kreislaufwirtschaft werden, hierzu gehört das Ziel „Zero Waste“. (S.9-11) In der Klimaneutralität besteht auch die Chance den Industriestandort Deutschland als fortschrittlich und zukunftsfähig (wieder) interessant zu machen und (neu)auszubauen.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität ist für die Grünen der Umgang mit der Situation aus der COVID19-Pandemie heraus und der „Neustart“ (S. 32) danach: „Wir wollen ihr [Reise und Tourismuswirtschaft] wieder auf die Beine helfen und zugleich den Nach-Corona-Tourismus klimaschonender, ökologischer und sozial nachhaltiger gestalten. Ein ökologischer und sozial blinder Massentourismus mit klimaschädlichen Kreuzfahrtschiffen, endloser Müllproduktion und riesigem Ressourcenverbrauch hat keine Zukunft. In einem nachhaltigen Tourismus liegen hingegen riesige Chancen. Nachhaltigen oder sanften Tourismus wollen wir gerade in ländlichen Regionen** gezielt entwickeln, zum Beispiel durch den Ausbau touristischer Rad- und Wasserwege“ (S. 37)
* Dieser Link führt zur Unterkategorie Mobilität in Bezug auf Klima- und Umweltpoilitk. Innerhalb der Gruppe wurden allerdings auch die Wahlprogramme der Parteien auf Mobilität & Verkehr allgemein genauer untersucht.
** Dieser Link führt zur eigenen Analyse der Infrastruktur des ländlichen Raums ohne explizite Beachtung des Aspekts der Klima- und Umweltpolitik.
Die Linken wollen den Umbau zu einer weitgehend CO2-freien, energie- und ressourcen-sparenden Wirtschaft und Infrastruktur innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte schaffen, um das 1,5° Ziel zu erreichen. Sie fordern einen verbindlichen Zukunftsplan, der bis spätestens 2040 dafür sorgt, dass die Bundesrepublik keine Treibhausgase mehr produziert. Die Hauptschuld für den Klimawandel sehen die Linken in den großen Konzernen und den wohlhabenderen Menschen, da diese für einen Großteil der Emissionen verantwortlich seien. Ein sozial gerechter, ökologischer Systemwechsel sei nur mit den Linken möglich, da die anderen Parteien die Kosten auf die Menschen abwälzen würden. Des Weiteren sind die Linken für einen klimaneutralen Umbau der Kommunen, der wohnortnahe Versorgung, funktionierende Infrastruktur und mehr Lebensqualität ermöglicht.
Weiterhin fordern die Linken, dass Klimaschutz als Erweiterung der Grundrechte in der Verfassung aufgenommen wird.
Außerdem wollen die Linken ein sozial wie klimagerecht ausgerichtetes Lieferkettengesetz, das die CO²-Bilanz in der gesamten Wertschöpfungskette einbezieht.
Die folgende Frage, die die SPD zu Anfang ihres Wahlprogramms 2021 stellt, kann zugleich als ihr großes Ziel gedeutet werden:
„Wird es uns gelingen, unser Leben und Wirtschaften so zu verändern, dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten?“ (S.3)
Um diese Frage beantworten zu können, gibt die SPD einen Ausblick in die Zukunft und stellen somit ihr Zwischenziel zum Erreichen des großen Zieles, nämlich das Aufhalten des „menschengemachten Klimawandels“ (S.3) vor: bis spätestens 2045 soll klimaneutral gewirtschaftet werden (S.4).
Um die Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen, wird zunächst der Ausstieg aus der Atomenergie und folgend bis 2038 auch der Ausstieg aus der Kohleverbrennung genannt, um so im Jahr 2050 klimaneutral wirtschaften zu können. Wie genau sich die SPD die Klimaneutralität vorstellt, erläutert sie anhand folgender Maßnahmen:
– Energieversorgung Deutschlands basiert auf erneuerbaren Energien (S.9)
– Heizen der Gebäude mit erneuerbaren Energien (S.9)
– Industrie produziert CO2-neutral und exportiert Technologien (S.9)
Da der „menschengemachte Klimawandel“ () zum Großteil durch Treibhausgase angetrieben wird, geht die SPD nochmal explizit auf das Ziel : „bis 2050 treibhausneutral leben“ ein und erläutert diese anhand folgender Maßnahmen:
– bis 2040 Strom aus erneuerbaren Energien ziehen (S.9)
– Aufbau von Speichertechnologien und Wasserstoffproduktion, sowie Transportnetze (S.9)
– Investitionen in klimafreundliche Produktionsprozesse in Industrie (S.9)
– Modernisierung von Wohngebäuden, Fabriken und Schulen (S.9)
Abschließend beantwortet die SPD ihre eigene Frage wie folgt:
„Unser Ziel: Leben, Arbeiten und Wirtschaften hat spätestens 2045 keine negativen Auswirkungen mehr auf unser Klima. Die Energieversorgung Deutschlands basiert dann vollständig auf erneuerbaren Energien, unsere Gebäude werden effizient mit erneuerbaren Energien beheizt. Unsere Industrie ist auf den Weltmärkten weiterhin führend, gerade weil sie CO2-neutral produziert und Technologien exportiert, die die klimaneutrale Welt von morgen braucht“ (S.9).
„Wir werden Europa bis spätestens 2050 zum ersten nachhaltigen und treibhaus-
gasneutralen Kontinent machen und eine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels einnehmen“ (S.56).
Autor*innen: Jannis Günther, Salome Neserke, Laura Salzmann